Der wahre Wille

Der Jahresbeginn ist immer bestens geeignet, um neue Ziele zu setzen, langgehegte Träume wahr werden zu lassen oder sehr beliebt: schlechte Gewohnheiten abzulegen. Wie steht es mit Ihnen? Sicherlich haben Sie sich auch das eine oder andere vorgenommen. Wenn Sie Ihre Vorhaben in die Tat umsetzen möchten, dann ist dafür vor allem anderen eines unabdingbar: Der wahre Wille. Ohne ein "Wollen" funktioniert nichts. Das ist doch selbstverständlich, höre ich Sie jetzt sagen. Aber haben Sie sich schon einmal Gedanken über den Willen gemacht und wie man ihn aktiviert?

Und damit ist nicht der alt-preußische Wille gemeint, der mit unnachgiebiger Selbstbeherrschung einhergeht, mit Zwang und schlechtem Gewissen, weil es ja doch nichts wird. Nein - die wahre Funktion des Willens besteht darin, sanft zu führen und nicht zu erzwingen. 

 

Zunächst einmal müssen Sie bewusst machen, dass Sie Ihre Ziele nicht durch das Ego erreichen können. Sicherlich sind Ihnen viele erfolgreiche und wohlhabende Menschen bekannt, von denen Sie meinen, sie hätten einen starken Willen und würden aus diesem Grund alles erreichen. Oftmals ist das nicht der Fall. Sie lassen sich, völlig unbewusst, von ihrem Ego leiten und gebrauchen ihre Ellenbogenmentalität, um ihre Ziele zu erreichen.

Der wahre Wille entwickelt sich jedoch aus Ihrem bewussten Selbst, Ihrem inneren Kern. Ihre wahre Persönlichkeit ist unabhängig vom Ego und den inneren Stimmen, den Teilpersönlichkeiten wie beispielsweise Perfektionist*, Kritiker* oder Harmoniebedürftiger*. Im Alltagsleben hören wir unbewusst viel mehr auf diese Stimmen. Aber das innere Selbst, Ihre ureigene Individualität, ist unmittelbar mit dem Willen verbunden. Nach Roberto Assagioli, dem Begründer der Psychosynthese sind vier Arten von Willen zu unterscheiden und zu verstehen.


1. Der starke Wille


Hier ist die übliche Auffassung über den Willen gemeint: Die Kraft der Initiative, der Umsetzung und des Durchhaltens. Zur Übung und Unterstützung des starken Willens schlägt Assagioli eine große Anzahl einfacher Übungen vor, die alle ein gemeinsames Ziel haben: die bewusste Umsetzung und das Eliminieren konkurrierender Impulse. So schlägt er beispielsweise vor, sich ganz bewusst am Morgen zum Aufstehen und Anziehen zu entscheiden oder jeden Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Zeit lang still zu sitzen. Ein solches Training beschreibt er analog zum Muskelaufbau, denn mit fortwährendem Training bilden sich starke Strukturen aus. 


2. Der geschickte Wille


Der geschickte Wille ist der Wichtigste. In diesem Zusammenhang schildert Assagioli zwei typische Fehler im Gebrauch des Willens: Der eine besteht in der überproportionalen Aufwendung von Kraft um etwas zu erreichen, also eine Überbetonung des starken Willens, und der andere im „sich gehen lassen“, das heißt, sich Trieben und Impulsen gegenüber als ausgeliefert anzusehen, nach dem Motto: "Das schaffe ich sowieso nicht."

Zur Lösung dieser Schwierigkeit empfiehlt er die Anwendung einer Strategie, die nicht den direktesten Weg sucht (wie der starke Wille), sondern den geschicktesten im Sinne der Wirksamkeit, also den einfachsten Weg. Um das realisieren zu können, ist es wichtig, seine eigene Psyche gut zu kennen, damit die verschiedenen Kräfte zum Erreichen des Zieles genutzt werden können. Alle erfahrenen Eindrücke hinterlassen Spuren und wirken in der Psyche. Assagioli bemüht den Vergleich zum Atem: Die Psyche atmet unaufhörlich Einflüsse ein, die verschiedenste Wirkungen haben können. Diese sollten vom geschickten Willen genutzt werden. Die unten genannten psychischen Gesetze sollten Sie kennen, damit Sie gegensteuern können, wenn die ersten Schwierigkeiten beim Erreichen Ihres Zieles auftauchen:

  • Vorstellungen, innere Bilder und Ideen haben die Tendenz, den Körper und Handlungen zu beeinflussen und entsprechende Gefühle zu wecken.
  • Einstellungen und Verhaltensweisen haben die Tendenz, Vorstellungen, innere Bilder und Ideen hervorzurufen, die wiederum Emotionen und Empfindungen beeinflussen können.
  • Emotionen und Eindrücke haben die Tendenz, Ideen und innere Bilder entstehen zu lassen oder zu verstärken, die mit ihnen verknüpft sind.
  • Triebe und Bedürfnisse haben die Tendenz, entsprechende Bilder, Emotionen und Ideen zu bilden, die wiederum entsprechende Handlungen begünstigen.
  • Aufmerksamkeit und Wiederholungen verstärken alle psychischen Inhalte, auf die sie sich beziehen.
  • Wiederholte Verhaltensweisen verstärken sich selbst bis hin zum Automatismus.
  • Verschiedene Funktionen, Teilpersönlichkeiten und Komplexe sowie deren Kombinationen können unbewusst auf die Erreichung ihrer Bedürfnisse hinwirken, selbst gegen den bewussten Willen.
  • Triebe, Begierden und Gefühle verlangen nach Ausdruck.
  • Psychische Energien haben drei mögliche Wege des Ausdrucks: Direkte Entladung, indirekt durch symbolische Handlungen und durch Transformationsprozesse.

 

Die Empfehlungen zur Entwicklung des geschickten Willens sind vielfältig. Viele orientieren sich an den beschriebenen Gesetzen bzw. deren Beherzigung. Als kleine Übung empfehle ich Ihnen auch hier, sich täglich zur gleichen Zeit für fünf Minuten hinzusetzen, bewusst zu atmen und Ihre Gedanken und Gefühle einfach nur zu beobachten. Dann visualisieren Sie Ihr Ziel. Je häufiger, umso besser. Wenn Sie bereits meditieren, dann kennen Sie diese Übungen bestimmt schon.


3. Der gute Wille


Dieser berücksichtigt beim Verwirklichen Ihres Zieles auch die Bedürfnisse der beteiligten Personen und der Gesamtsituation. Der gute Wille findet also im Bewusstsein der Verbundenheit statt und überschreitet damit die Grenze des Individuums. Assagioli betont in diesem Zusammenhang die Hindernisse für den guten Willen. Demnach stehen Egozentrik und fehlende Rücksicht auf der überwertig narzisstischen Seite und überzogene Empathie und Unterordnung auf der Seite der Missachtung eigener Bedürfnisse. Den guten Willen zu aktivieren ist ein langfristiges Projekt. Dabei geht es um die Synthese und den Ausgleich beider Seiten. Wenn Sie sich hier angesprochen fühlen, empfehle ich Ihnen die Arbeit mit dem Inneren Beobachter. Denn nur wenn Sie sich Ihrer Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen bewusst sind, können Sie etwas ändern. 


4. Der transpersonale Wille


Dieser Aspekt des Willens hat nichts mehr mit den Interessen und Zielen des personalen Selbst im Sinne seiner materiellen Bedürfnisse zu tun. Hier geht es um das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung in der Transzendenz mit eingeschlossen ist. Doch das ist natürlich auch ein Ziel, das zu erreichen immer mehr Menschen als ihre vordringlichste Aufgabe ansehen. Zur Verwirklichung des Transzendenzbedürfnisses benennt er die folgenden vier Punkte:

  • Transzendenz durch transpersonale Liebe,
  • Transzendenz durch transpersonales Handeln,
  • Transzendenz durch Schönheit und
  • Transzendenz durch Selbstverwirklichung.

 

Übungen zu diesem vierten Willensaspekt sind vor allem Disidentifikationsmethoden, wie z.B. Meditation. Die Verwirklichung des transpersonalen Willens kann sich auch der anderen Aspekte des Willens bedienen. Beispielsweise braucht es starken und geschickten Willen, um eine tägliche Meditationspraxis konsequent zu realisieren.

Welches Ziel Sie auch immer anstreben. Machen Sie sich bewusst, dass Sie alle Möglichkeiten haben, dieses auch zu erreichen. Es liegt nicht nur an, sondern auch in Ihnen, Ihre Quellen des Willens zu entdecken und hervorzuholen. Falls Sie Unterstützung benötigen, vereinbaren Sie gern den ersten Termin für ein Coaching unter Kontakt, oder rufen Sie mich an: Tel. 0151 17940187 oder 0221 16999216. Ich freue mich auf Sie.

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